CDU sagt Ja zum Biosphärenreservat - wenn es vertragliche Sicherheit gibt

Die Diskussion um einen möglichen Beitritt der Stadt Schortens zum Biosphären-reservat wurde in den vergangenen Monaten kontrovers diskutiert - zu kontrovers nach Ansicht der CDU Schortens. "Beim Biosphärenreservat geht es darum, ein Gebiet gemeinsam mit allen Akteuren zu mehr Nachhaltigkeit und mehr Lebens-qualität zu entwickeln. Entscheidend dabei ist das Wort gemeinsam. Dieses Thema kontrovers mit einer sehr knappen Mehrheit im Stadtrat zu entscheiden, schade dem eigentlichen Ziel", erklärt Fraktionsvorsitzender Axel Homfeldt.
Vor diesem Hintergrund hat die CDU nun einen Kompromiss vorgeschlagen. "Wir können dem Beitritt zustimmen, allerdings unter der Voraussetzung, dass es einen rechtsverbindlichen Vertrag zwischen den Beitrittskommunen auf der einen sowie dem Land Niedersachsen und der UNESCO auf der anderen Seite gebe. Darin sollen weitere Beschränkungen für die Landwirtschaft, Handel. Gewerbe und Industrie sowie für die Planungshoheit der Stadt bei der künftigen Ausweisung von Bau- und Gewerbegebieten ausgeschlossen werden", erläutert Homfeldt. Der niedersächsische Minister für Bau- und Umwelt, Olaf Lies (SPD), hat signalisiert, dass es so einen Vertrag geben könne. Nun sei es an SPD und Grünen in Schortens, sich zu bewegen, um in der Sache eine gute Lösung zu ermöglichen.
Diesen Vorschlag macht die CDU, um der eigentlich guten Idee eine Chance zur Umsetzung zu geben. Und das, obwohl es jede Menge ungeklärte Fragen zum Beitritt gibt. "Es wurde in den letzten Monaten mit vielen unbelegten Behauptungen von Seiten der Grünen, der SPD und leider auch von der Verwaltung gearbeitet. Das schafft kein Vertrauen. Zudem sind etliche Aussagen relativ leicht zu widerlegen", so Homfeldt. Das kann keine Grundlage dafür sein, eine langfristige Entscheidung für die Zukunft zu begründen, die alle Bürger der Stadt betreffen werde.
Welche Schlussfolgerungen zieht die CDU aus der Diskussion?
1. Die CDU steht fest auf einem christlichen Menschenbild. Eine zentrale Säule ist dabei die Bewahrung der Schöpfung. Uns das abzusprechen, ist populistische Stimmungsmache, die letztlich nur zu einer Verhärtung scheinbarer Fronten von Gut und Böse führen soll. Das werden wir nicht mitmachen.
2. Die notwendige Veränderung unseres Wirtschaftens und unseres Lebensstils wird von der CDU nicht in Frage gestellt. Im Gegenteil. Der entscheidende Unterschied zu SPD und Grünen liegt darin, dass wir tatsächlich versuchen, alle gesellschaftlichen Gruppen in die Diskussion einzubinden und mitzunehmen. Die notwendigen Veränderungen werden wir nur mit zwei Faktoren erreichen: Gesellschaftlicher Konsens und technologische Weiterentwicklung.
Falsch ist es aus unserer Sicht, mit Verboten und Restriktionen die Menschen erziehen zu wollen. Das führt zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft und letztlich auch zu einer Entmündigung der Bürgerinnen und Bürger.
Beispiel: Verbot von Schottergärten in Schortens. Wir finden die auch nicht schön, aber jeder muss auf seinem Grund und Boden, sofern keine Gefahr für die Allgemeinheit davon ausgeht, seinen Lebensbereich so gestalten können, wie es seinem Bedürfnis entspricht. Das sehen SPD und Grüne offenbar anders. Beispiel 2: Hühnermaststall in Ostiem. Während die SPD Schortens eine Demo mit Galgen und markigen Worten vor der Hofstelle der Landwirte organisiert, haben wir Gespräche geführt. Mit dem Ergebnis, dass wir eine gute Lösung für beide Seiten gefunden und den Konflikt befriedet haben. So stellen wir uns gute Politik und gesellschaftlich akzeptierte und getragene Veränderung vor. Details lesen Sie hier.
3. Vor diesem Hintergrund sperren wir uns nicht, einem BSR beizutreten. Allerdings legen wir Wert auf Fakten, Klarheit und Sicherheit. Und das gilt eben nicht nur für Landwirte, sondern auch für die Wirtschaft insgesamt sowie die kommunale Planungshoheit. Durch den Beitritt zum BSR darf es keine Einschränkungen geben, die von dritter Seite – sprich Unesco, BSR-Verwaltung oder Landesregierung kommen. Deshalb beantragen wir, den Beschlussvorschlag für die Ratssitzung um den aufschiebenden Passus zu erweitern, dass der Beitritt dann verbindlich wird, wenn es eine vertragliche Regelung gibt, die eine Beschränkung ausschließt. Dazu hat sich Umweltminister Lies bereit erklärt. Und diesen Faden des gegenseitigen Respekts und dem Willen, eine wirklich gemeinsame Lösung zu finden, nehmen wir damit auf und hoffen auf die Zustimmung einer Mehrheit im Stadtrat.
Unklare Fakten und viele Behauptungen
Viele Fragen zum Beitritt der Stadt Schortens sind ungeklärt und damit wird von den Befürwortern lediglich mit Behauptungen gearbeitet. Das ist keine Grundlage für seriöse Politik und schon gar nicht hilft es der Umwelt. Deshalb hat sich die CDU Fraktion daran gesetzt, und die gängigsten "Argumente" für einen Beitritt der Stadt unter die Lupe genommen. Dabei kam heraus, dass sich die meisten Aussagen für einen Beitritt zum Biosphärenreservat nicht durch Fakten belegen lassen. Aber lesen Sie selbst:
1. Das Biosphärenreservat (BSR) fördert den Tourismus Das ist nicht ausgeschlossen. Doch die vorliegenden Studien, mit denen argumentiert wird, stammen aus 2017. Inwieweit der Status des BSR für steigende Gästezahlen oder der parallel laufende Trend zu einem verstärkten Deutschlandtourismus eine Rolle bei der Erhebung gespielt haben, wird nicht erklärt. Zudem hat Schortens keinen stark ausgeprägten Tourismus. Ein von uns schon lange gefordertes Konzept zur Weiterentwicklung des Fremdenverkehrs in Schortens liegt bis heute nicht vor.
2. Unsere Nachbarkommunen würden mitmachen – Aussage der SPD. Tatsache ist: Wangerland, Varel und Bockhorn haben bereits nein gesagt. Wilhelmshaven diskutiert noch. Lediglich Zetel und Sande sind mit dabei. In Jever wird das nicht einmal diskutiert.
3. „Eine große Mehrheit der Schortenser befürwortet den Beitritt“ – Aussage der Grünen in einem Facebook-Beitrag Nun, das ist eine Behauptung ohne Beleg. Im März hat es im Bürgerhaus einen Workshop zum BSR gegeben. Daran haben ca. 100 Personen teilgenommen. Bei einer Probeabstimmung haben sich rund 80 % gegen einen Beitritt ausgesprochen. Daraus kann man nun wirklich nicht eine große Mehrheit für einen Beitritt ableiten. Vielleicht wäre es das Beste, die Bürgerinnen und Bürger zu befragen.
4. Alle Interessierten sind in dem Prozess beteiligt worden. Nun ja, es gab eine Infoveranstaltung im Jahre 2019 und den eben beschriebenen Workshop. In Summe zwei Veranstaltungen. Wenn man sich andere Gebiete ansieht – beispielsweise den Main-Taunus-Kreis– dann stellt man fest, dass es dort vor dem Beitritt einen 18monatigen Beteiligungs- und Diskussionsprozess gegeben hat. Mit vielen Workshops zu einzelnen Themenbereichen wie beispielsweise Landwirtschaft, Tourismus etc. Das hat hier nicht stattgefunden. Von einer wirklichen Beteiligung kann man also nicht sprechen. Bemerkenswert ist auch, dass beispielsweise die SPD parallel zu dem Workshop im März ihre Mitgliederversammlung abgehalten hat. Was das inhaltlich bedeutet, mag jeder für sich selbst entscheiden.
5. „Es wird keine weiteren Einschränkungen für Wirtschaft und Landwirtschaft geben“ Das wohl wichtigste "Argument" der Befürworter. Doch es ist eine unbelegte Behauptung. Als die Vogelschutzgebiete ausgewiesen wurden – vor ca. 20 Jahren – gab es zunächst auch keine Beschränkungen. Mittlerweile wurden für diese Bereiche weitere Einschränkungen festgelegt, die der Landwirtschaft die Arbeit erschweren bis unmöglich machen. Die Sorge, dass das jetzt wieder so kommt, ist nachvollziehbar. Es handelt sich um ein Biosphärenreservat nach Regeln der Unesco und nicht nach Bundesnaturschutzgesetz. Insofern beruhigend, weil nur nach Naturschutzgesetz die rechtliche Verankerung des BSR gefordert wird. Allerdings sind auch für die Unesco Gebiete Regeln vorgesehen. Definiert sind diese bislang aber nur für die Kernzone. Für die Pflege- und die Entwicklungszone liegen diese Kriterien, Stand 24. August 2020 nach Auskunft des stv. Generalsekretärs der Unesco Deutschland, Dr. Lutz Möller, noch nicht vor. (Eine entsprechende Mail liegt uns vor.) Heißt, wir sollen die Katze im Sack kaufen. Das ist schlicht unverantwortlich und keine seriöse Politik, sondern beifallheischender Populismus. Zudem sollen erst nach der Entscheidung für einen Beitritt die Details des Beitrittsvertrages verhandelt werden. Stimmen wir dann also noch mal ab, wenn der Beitrittsvertrag verhandelt ist oder wird der Stadtrat dann nicht noch einmal gefragt? Auch das ist ungeklärt. Wir kaufen also ein Haus, was wir vorher nicht besichtigen dürfen. Genau genommen kennen wir nicht einmal die Adresse.
6. In einer Veröffentlichung des Bundesumweltministeriums zu Biosphärenreservaten heißt es: „Eine leistungsfähige Verwaltung des Biosphärenreservates muss innerhalb von drei Jahren nach Anerkennung des Biosphärenreservates durch die UNESCO aufgebaut werden (…) Der Antrag muss eine Zusage zur Schaffung der haushaltsmäßigen Voraussetzungen enthalten“. Welche Konsequenzen entstehen daraus für den städtischen Haushalt? Antwort der Verwaltung: Keine? Aha, und wer bezahlt das dann? Und vor allem: Wovon???
7. Wir können jederzeit wieder austreten. Stimmt – ist aber nur die halbe Wahrheit.
Juristisch ist die Behauptung vermutlich richtig, dass eine Kommune die Entwicklungszone auch wieder verlassen kann. Das unterstreicht Umweltminister Olaf Lies in einem Schreiben an die Wirtschaftsverbände der Region. Nur wie ist es faktisch? Sobald Schortens Geld für ein förderfähiges Projekt erhalten hat, wird es, wie immer bei öffentlichen Förderungen, nicht nur eine Zweckbindung, sondern auch eine zeitliche Bindung geben. Ansonsten müssten die Fördermittel zurückgezahlt werden. Vor dem Hintergrund der angespannten Haushaltslage in unserer Stadt scheinen aber zwei Dinge für die kommenden Jahre unwahrscheinlich: a. wir haben Geld, um mit einem Eigenanteil eine zusätzliche freiwillige Leistung zu bezahlen. b. wir haben genug Geld, um sechs- oder siebenstellige Zuschüsse wieder zurückzuzahlen.
Dieses Argument, jederzeit wieder austreten zu können, scheitert also an der Wirklichkeit.
8. Neue Projekte auflegen
Wir haben die Verwaltung befragt: Kann die Stadt Schortens es sich in absehbarer Zeit leisten, Projekte als freiwillige Leistungen zu finanzieren und wenn ja, welche Haushaltsmittel werden dafür eingeplant? Die Antwort der Verwaltung ist ernüchternd: "Die Höhe der Ausgaben für die mittelfristige Finanzplanung wird in den Haushaltsberatungen festgelegt. Möglicherweise werden durch den Beitritt zum Biosphärenreservat keine neuen Projekte, sondern Projekte umgesetzt, die auch ohne Beitritt umgesetzt worden wären". Heißt im Klartext: Es wird keine neuen Projekte geben. Und alles, was vorgeschlagen wurde, machen wir schon.
9. Was sind umweltfreundliche Betriebe? In der Sitzungsvorlage zum Beitritt heißt es seitens der Verwaltung wörtlich: "Für Schortens wurden bereits erste Ideen entwickelt:
· Energiezentrale mit Laubpucks
· die Entwicklung und Vernetzung von Wasserstofftechnologien mit dem Windpark Ostiem,
Wasserstofftankstelle im Gewerbegebiet
· die Ansiedlung von umweltfreundlichen Betrieben im Gewerbegebiet Ostiem oder im interkommunalen Gewerbegebiet,
· ein Solardachkataster und/ oder die Unterstützung von e-Mobilität"
Nun, das machen wir alles schon. Energiezentrale steht - läuft aber nicht. Wasserstoffproduktion im Windpark Ostiem können wir nicht einfach entscheiden, da der Windpark in Privatbesitz ist. Die Wasserstofftankstelle ist bereits in der Planung des Landkreises enthalten.
Solardachkataster wurde schon vor Jahren von der SPD angeschoben. Das ist nicht wirklich ein Projekt, da das heutzutage über entsprechende Webseiten problemlos jeder selbst nachsehen kann, ob sein Dach geeignet ist.
Sehr große Fragezeichen hinterlässt der Vorschlag, nur noch "umweltfreundliche Betriebe" in unseren Gewerbegebieten zuzulassen. Was bedeutet umweltfreundlich? Heißt das, dass wir einen metallverarbeitenden Betrieb, der aus dem Umland mit seinen Arbeitsplätzen nach Schortens kommen will, nicht mehr zulassen? Oder was ist mit dem neuen Autohaus in der Branterei? Würde so eine Investition künftig noch möglich? Dieser Vorschlag macht deutlich, dass in der Verwaltung nicht verstanden wurde, worum es beim Biosphärenreservat eigentlich geht.
Lesen Sie hier unsere Fragen und die Antworten der Stadtverwaltung zum Beitritt Biosphärenreservat:
Lesen Sie hier unseren Antrag zur Ratssitzung am 3. September 2020:
Lesen Sie hier, welche Rahmenbedingungen die Unesco für ihre Biosphärenreservate formuliert. Leider nur für die Kernzone. Für die Entwicklungszone, der Schortens beitreten soll, gibt es diese Rahmenbedingungen noch gar nicht. Also können auch SPD und Grüne nicht wissen, was denn wirklich passieren und welche Auswirkungen es geben wird.


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